Logo Marco Braun

Luxuskabinen, Darkrooms und Pornokino klingt für mich nicht nach einer Sauna.

Luxuskabinen, Darkrooms und Pornokino klingt für mich nicht nach einer Sauna.

Anfang der 2000er. Zwanzig Jahre jung, kein Plan, keine Idee und gefangen in der österreichischen Provinz.

Was machen? Vielleicht eine Ausbildung zum Schauspieler? Das Ganze in München? Frauen und Partys in der großen Stadt. Dumm nur, dass so ein Leben ganz schön teuer ist. Ein Nebenjob muss her. Vielleicht als Hausmeister in der Deutschen Eiche? Deutschlands größte Herrensauna scheint perfekt, um als angehender Künstler seine Weltoffenheit unter Beweis zu stellen. Doch die wird schon bald auf eine harte Probe gestellt.

„Noch ist nicht Sonntag“ ist ein autobiografischer Roman, der auf den Erlebnissen des Autors basiert.

AUTOR

Marco Braun wurde in Steyr, Österreich, geboren und studierte Schauspiel in München. Nach seinem Abschluss stand er auf verschiedenen Bühnen und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Das führte dazu, dass er sich auch dem Schreiben zuwandte. Sein autobiografischer Debütroman „Noch ist nicht Sonntag“ erschien 2023 und spiegelt einen kleinen Teil seiner Zeit in München wider. Nach einem zehnjährigen Aufenthalt in Berlin zog es ihn 2018 wieder dorthin zurück, wo er auch aktuell lebt.

INTERVIEW

Marco Braun war am 04. März 2024 zu Gast bei ’szene münchen‘, dem Szenemagazin von münchen.tv. Im Interview mit Moderator Alex Onken verrät er die Entstehungsgeschichte und Intention hinter seiner Biografie und stellt sie in einer Leseprobe vor.

LESEPROBE

„Nachdem du die Schlüsselnummer vergeben hast, tippst du sie hier ein und bestätigst. Damit ist der Gast im System erfasst und kann alles, was er konsumiert, auf den Schlüssel buchen. Verstanden? Hallo? Hey, hörst du mir überhaupt zu, Hete?“

„Klar, Manfred. Eintippen, bestätigen und husch, husch rein in die gute Stube.“

„Ach, halt die Klappe, Hete.“ Manfred wird von nun an immer ein Auge auf mich haben. Er versucht mich glauben zu lassen, dass er überhaupt keine Lust auf meine Anwesenheit hinter der Rezeption hat. „Ich sag’s dir nur einmal, ich hab keine Lust, dir die Basics noch mal zu erklären. Also pass auf. Die Bilder hinterm Schreibtisch sind dir ja sicher schon aufgefallen. Das ist unsere ,Wall of Fame‘. Das sind Fotos von Gästen, die Hausverbot haben. Aufgenommen wurden sie von den Kameras, die über deinem Kopf hängen. Die meisten haben was geklaut oder sind beim Ficken gegen Bezahlung erwischt worden. Einige der Herren konnten beim Auschecken nicht zahlen oder sind einfach verschwunden. Also achte darauf, wenn du jemanden auscheckst, dass du nicht gleichzeitig die Tür öffnest, weil es klingelt. Bis hierhin verstanden?“

„Ich denke schon. Ähm, kann es sein, dass einer von den Typen heute hier ist? Ich glaube, dass ich den hier schon gesehen habe.“ Ich zeige auf das Bild eines Mannes, der furchterregend aussieht. Ein großer, schmaler Kerl mit einer gewaltigen Hakennase und einem ausdruckslosen Blick, der mich erschaudern lässt. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass er erst gerade hier war, um sich Gleitgel zu holen.

„Da schau an, sehr gut, Hete, du hast ja tatsächlich Augen im Kopf“, antwortet Manfred beiläufig, während er das Bild von der Wand nimmt und es in einem Ordner abheftet. „Hab vergessen, ihn runterzunehmen. Er hat gestern Abend seine offene Rechnung bezahlt und schwirrt heute schon wieder hier rum. Ist ein Stammstricher, der normalerweise am Hauptbahnhof auf- und abläuft. Aber wenn es kälter wird, verlagern viele ihr Geschäft zu uns.“ Stammstricher? Klingt ja nett.

„Verstehe, aber was ist dann damit?“, frage ich und zeige auf ein Schild, das gut sichtbar auf dem Tresen platziert ist: „Prostitution und Drogen verboten.“

„Schon wieder gut aufgepasst. Grundsätzlich ist es bei uns verboten, Sex gegen Bezahlung anzubieten, aber wenn wir keine jungen Stricher mehr hier haben, bekommen die alten Säcke nichts zu ficken. Und wenn die alten Säcke nichts zum Ficken finden, kommen sie auch nicht mehr. Also übersehen wir das einfach.“

„Klingt logisch, ich versteh aber nicht, was das mit dem Typen zu tun hat. Sorry, aber der ist alles andere als jung oder gut aussehend, ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es Männer gibt, die für Sex mit ihm auch noch Geld zahlen.“

„Ach, wie lieb, du dummes Naivchen. Glaubst du immer noch, irgendjemand hier interessiert sich für ein Gesicht?“

Es klingelt, ich schaue auf den Monitor und dann zu Manfred. „Darfst ihm aufmachen und gleich mal einchecken.“

Wie befohlen drücke ich den elektrischen Türöffner, und ein kleiner, pummeliger Mann um die sechzig tritt ein. „Servus, einmal einen Spind bitte. Ah, ein neues Gesicht. Warte mal, hast du nicht mal unten sauber gemacht?“

„Jap, wurde sozusagen wegen guter Reinigung befördert.“

„Quatsch nicht so viel, Hete“, murmelt Manfred herrisch an meiner Seite.

„Was, ’ne Hete? Du arbeitest hier und bist hetero?“ Es macht vermutlich keinen Sinn, ihm zu sagen, dass ich nur zu faul bin, mir was anderes zu suchen. „Hut ab. Na dann, bis später!“ Er nimmt den Schlüssel, den ich ihm hinhalte, und geht pfeifend weiter zu den Spinden.

„Na also, geht doch. Hast du fein gemacht. Und jetzt setz dich hin und rauch erst mal eine.“

„Ich rauche immer noch nicht.“

„Stimmt ja, wie anstrengend. Dann tu halt so als ob.“ Kaum habe ich mir eine imaginäre Zigarette angezündet, kommt der ältere Typ von gerade eben splitternackt zurück an die Rezeption.

„Ah, Manfred, du, dein angeblicher Heterokollege hat vergessen, mir ein Handtuch zu geben. Wärst du so nett?“ Manfred beugt sich zu dem kleinen Kerl vor und mustert ihn ausführlich, bevor er ihm ein Handtuch reicht. Ich kann zwar nicht verstehen, warum sein Blick bei der Schrumpfnudel hängen geblieben ist, aber bitte. Beide grinsen sich noch einen Moment an, dann verschwindet der Typ wieder. Genüsslich drücke ich meine imaginäre Kippe auf dem behaarten Sack von dem Kleinen aus und stelle mich wieder zu meinem Kollegen. Angeblich hetero

„Der Typ war ja behaart wie ein Wolf.“

„Geil, oder?“, grinst Manfred und guckt ihm immer noch nach.

„Dein Ernst?“ Am Kopf kein einziges Haar mehr, dafür am Bauch, Rücken und auf den Schultern ein Fell, das einen Grizzly nackt aussehen lässt. Gerade habe ich das Bild von dem Kerl verdrängt, da sehe ich ihn an der Bar rumschwirren, jetzt in Gesellschaft. Weil da keine Straßenkleidung, sondern nur noch Handtücher erlaubt sind, stehen fast alle so gut wie nackt rum, ich bekomme mehr zu sehen, als mir lieb ist.

„Ist dir aufgefallen, dass die alle behaart sind wie ein Rudel Werwölfe?“

„Darum geht’s doch, Dummchen. Ach bitte, sag bloß, du hast noch nie was von Bären gehört?“

„Doch doch, aber leben die nicht in freier Wildbahn und halten jetzt Winterschlaf in ihren Höhlen?“

„Ach, halt doch die Klappe. Jetzt soll ich unserer Scheißhete auch noch erklären, wer hier auf was steht? Langsam wird’s mir zu blöd mit dir. Also, hör zu, damit du noch was lernst: Die behaarten Jungs nennt man Bären. Die stehen auf andere behaarte, verschwitze Männer, gerne etwas pummeliger oder mit ordentlichen Muskeln.“

„Und das alte weißhaarige Wollknäuel ist dann ein Eisbär, oder wie?“

„In der Tat, Hete, und jetzt halt’s Maul, wenn ich rede. Siehst du die kleinen dünnen Boys rechts von denen? Die nennt man Twinks. Die dürfen kein Fell und keine Muskeln haben. Mal sehen, was läuft grad noch so rum … Ah guck mal, da ist unser Freund von der Wall of Fame.“ Tatsächlich, der Typ mit der Hakennase schleicht geschmeidig zwischen den Bären durch und guckt jedem von ihnen auffallend direkt ins Gesicht. „Ach, süß, der glaubt doch nicht wirklich, dass einer von denen Bock auf ihn hat. Lächerlich.“

LESEPROBE

„Nachdem du die Schlüsselnummer vergeben hast, tippst du sie hier ein und bestätigst. Damit ist der Gast im System erfasst und kann alles, was er konsumiert, auf den Schlüssel buchen. Verstanden? Hallo? Hey, hörst du mir überhaupt zu, Hete?“

„Klar, Manfred. Eintippen, bestätigen und husch, husch rein in die gute Stube.“

„Ach, halt die Klappe, Hete.“ 

Manfred wird von nun an immer ein Auge auf mich haben. Er versucht mich glauben zu lassen, dass er überhaupt keine Lust auf meine Anwesenheit hinter der Rezeption hat. „Ich sag’s dir nur einmal, ich hab keine Lust, dir die Basics noch mal zu erklären. Also pass auf. Die Bilder hinterm Schreibtisch sind dir ja sicher schon aufgefallen. Das ist unsere ,Wall of Fame‘. Das sind Fotos von Gästen, die Hausverbot haben. Aufgenommen wurden sie von den Kameras, die über deinem Kopf hängen. Die meisten haben was geklaut oder sind beim Ficken gegen Bezahlung erwischt worden. Einige der Herren konnten beim Auschecken nicht zahlen oder sind einfach verschwunden. Also achte darauf, wenn du jemanden auscheckst, dass du nicht gleichzeitig die Tür öffnest, weil es klingelt. Bis hierhin verstanden?“

„Ich denke schon. Ähm, kann es sein, dass einer von den Typen heute hier ist? Ich glaube, dass ich den hier schon gesehen habe.“ Ich zeige auf das Bild eines Mannes, der furchterregend aussieht. Ein großer, schmaler Kerl mit einer gewaltigen Hakennase und einem ausdruckslosen Blick, der mich erschaudern lässt. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass er erst gerade hier war, um sich Gleitgel zu holen.

„Da schau an, sehr gut, Hete, du hast ja tatsächlich Augen im Kopf“, antwortet Manfred beiläufig, während er das Bild von der Wand nimmt und es in einem Ordner abheftet. „Hab vergessen, ihn runterzunehmen. Er hat gestern Abend seine offene Rechnung bezahlt und schwirrt heute schon wieder hier rum. Ist ein Stammstricher, der normalerweise am Hauptbahnhof auf- und abläuft. Aber wenn es kälter wird, verlagern viele ihr Geschäft zu uns.“ Stammstricher? Klingt ja nett.

„Verstehe, aber was ist dann damit?“, frage ich und zeige auf ein Schild, das gut sichtbar auf dem Tresen platziert ist: „Prostitution und Drogen verboten.“

„Schon wieder gut aufgepasst. Grundsätzlich ist es bei uns verboten, Sex gegen Bezahlung anzubieten, aber wenn wir keine jungen Stricher mehr hier haben, bekommen die alten Säcke nichts zu ficken. Und wenn die alten Säcke nichts zum Ficken finden, kommen sie auch nicht mehr. Also übersehen wir das einfach.“

„Klingt logisch, ich versteh aber nicht, was das mit dem Typen zu tun hat. Sorry, aber der ist alles andere als jung oder gut aussehend, ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es Männer gibt, die für Sex mit ihm auch noch Geld zahlen.“

„Ach, wie lieb, du dummes Naivchen. Glaubst du immer noch, irgendjemand hier interessiert sich für ein Gesicht?“

Es klingelt, ich schaue auf den Monitor und dann zu Manfred. „Darfst ihm aufmachen und gleich mal einchecken.“

Wie befohlen drücke ich den elektrischen Türöffner, und ein kleiner, pummeliger Mann um die sechzig tritt ein. „Servus, einmal einen Spind bitte. Ah, ein neues Gesicht. Warte mal, hast du nicht mal unten sauber gemacht?“

„Jap, wurde sozusagen wegen guter Reinigung befördert.“

„Quatsch nicht so viel, Hete“, murmelt Manfred herrisch an meiner Seite

„Was, ’ne Hete? Du arbeitest hier und bist hetero?“ Es macht vermutlich keinen Sinn, ihm zu sagen, dass ich nur zu faul bin, mir was anderes zu suchen. „Hut ab. Na dann, bis später!“ Er nimmt den Schlüssel, den ich ihm hinhalte, und geht pfeifend weiter zu den Spinden.

„Na also, geht doch. Hast du fein gemacht. Und jetzt setz dich hin und rauch erst mal eine.“

„Ich rauche immer noch nicht.“

„Stimmt ja, wie anstrengend. Dann tu halt so als ob.“ Kaum habe ich mir eine imaginäre Zigarette angezündet, kommt der ältere Typ von gerade eben splitternackt zurück an die Rezeption.

„Ah, Manfred, du, dein angeblicher Heterokollege hat vergessen, mir ein Handtuch zu geben. Wärst du so nett?“ Manfred beugt sich zu dem kleinen Kerl vor und mustert ihn ausführlich, bevor er ihm ein Handtuch reicht. Ich kann zwar nicht verstehen, warum sein Blick bei der Schrumpfnudel hängen geblieben ist, aber bitte. Beide grinsen sich noch einen Moment an, dann verschwindet der Typ wieder. Genüsslich drücke ich meine imaginäre Kippe auf dem behaarten Sack von dem Kleinen aus und stelle mich wieder zu meinem Kollegen. Angeblich hetero

„Der Typ war ja behaart wie ein Wolf.“

„Geil, oder?“, grinst Manfred und guckt ihm immer noch nach.

„Dein Ernst?“ Am Kopf kein einziges Haar mehr, dafür am Bauch, Rücken und auf den Schultern ein Fell, das einen Grizzly nackt aussehen lässt. Gerade habe ich das Bild von dem Kerl verdrängt, da sehe ich ihn an der Bar rumschwirren, jetzt in Gesellschaft. Weil da keine Straßenkleidung, sondern nur noch Handtücher erlaubt sind, stehen fast alle so gut wie nackt rum, ich bekomme mehr zu sehen, als mir lieb ist.

„Ist dir aufgefallen, dass die alle behaart sind wie ein Rudel Werwölfe?“

„Darum geht’s doch, Dummchen. Ach bitte, sag bloß, du hast noch nie was von Bären gehört?“

„Doch doch, aber leben die nicht in freier Wildbahn und halten jetzt Winterschlaf in ihren Höhlen?“

„Ach, halt doch die Klappe. Jetzt soll ich unserer Scheißhete auch noch erklären, wer hier auf was steht? Langsam wird’s mir zu blöd mit dir. Also, hör zu, damit du noch was lernst: Die behaarten Jungs nennt man Bären. Die stehen auf andere behaarte, verschwitze Männer, gerne etwas pummeliger oder mit ordentlichen Muskeln.“

„Und das alte weißhaarige Wollknäuel ist dann ein Eisbär, oder wie?“

„In der Tat, Hete, und jetzt halt’s Maul, wenn ich rede. Siehst du die kleinen dünnen Boys rechts von denen? Die nennt man Twinks. Die dürfen kein Fell und keine Muskeln haben. Mal sehen, was läuft grad noch so rum … Ah guck mal, da ist unser Freund von der Wall of Fame.“ Tatsächlich, der Typ mit der Hakennase schleicht geschmeidig zwischen den Bären durch und guckt jedem von ihnen auffallend direkt ins Gesicht. „Ach, süß, der glaubt doch nicht wirklich, dass einer von denen Bock auf ihn hat. Lächerlich.“

Für wen ist die Geschichte interessant?

Ich glaube: Für alle, die die Szene aus einer anderen Perspektive kennenlernen möchten. Nicht jeder will oder kann in eine reine Herrensauna gehen, und der Einblick aus Sicht eines heterosexuellen Mannes ist ja auch nochmal eine andere.

Wieviel an der Geschichte ist wahr?

Alles was nicht erfunden ist. Nein, im Ernst: Der wirklich größte Teil basiert auf tatsächlichen Erlebnissen und Personen, aber ich hab die Ereignisse neu kombiniert, um wenig Erfundenes ergänzt und zu einer romanhaften Einheit verbunden.

Würdest du wieder dort arbeiten?

Ich schreibe es am Ende meines Buches: Es ist eine Herrensauna und kein Arbeitsplatz für Typen, die sich was beweisen wollen. Von daher: Nein. Aber ich bin dankbar für die außergewöhnliche Zeit, die ich dort hatte, und die Menschen, die ich kennenlernen durfte.